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Stiftung Stralsunder
Schwesternheimathaus
Große Parower Straße 42
18435 Stralsund
Telefon: (03831) 37 58-0
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Doreen Bobke

»Diesem Haus war ich von Anfang an treu.«

Doreen Bobke hat zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Funktionen hier im Haus gearbeitet und ist seit 2015 als Pflegehelferin tätig.

Frau Bobke, Sie sind eine sogenannte Quereinsteigerin, das heißt, die Altenpflege ist nicht Ihr Erstberuf. Was haben Sie ursprünglich gemacht?
Ich komme aus der Landwirtschaft, habe Zootechniker/ Mechanisator gelernt. Wie bei so vielen hat dann die politische Wende dazu geführt, dass ich mich neu orientieren musste. Ich begann eine Umschulung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel. Leider bestand auf Grund der Arbeitsmarktsituation keine Möglichkeit, darin Fuß zu fassen.
Es folgten weitere Lehrgänge, ABM-Maßnahmen, PC-Weiterbildung, viel Schulbankdrücken, wie das damals so lief. Fast acht Jahre arbeitete ich im Callcenter.

Aber dann wollten Sie noch einmal etwas ganz Neues ausprobieren...
Der Wendepunkt war eine persönliche Krise. Ich war in ein tiefes Loch gefallen und fragte mich: Wie geht es jetzt mit mir weiter? Während eines Aufenthalts in einer Reha-Klinik 2011 lernte ich Mitpatienten kennen, die in der Pflege arbeiteten. Mit ihnen führte ich viele Gespräche, die mich neugierig machten. Ob das auch etwas für mich wäre? »Mach erst mal ein Praktikum«, riet man mir. So einfach sei das nicht, man habe doch mit Gebrechen zu tun, mit Krankheiten, Gerüchen, Ausscheidungen. Zumal ich mit Pflege vorher noch nie etwas zu tun gehabt hatte. Und schließlich ist es ja etwas ganz anderes, als im Callcenter am Telefon zu sitzen. Aber das hat mich nicht abgeschreckt. Ich wollte mir selbst ein Urteil bilden und suchte mir eine Praktikumsstelle.

Auf einer Liste von Pflegeeinrichtungen stieß ich auf das Schwesternheimathaus und dachte, das klingt gut. Ich hatte dann die Möglichkeit, im Rahmen der vierzehn Tage einen kleinen Einblick in den Arbeitsablauf zu gewinnen und auch die Bewohner kennenzulernen.
Mit Hand anzulegen, war von Anfang an die Devise. Schon am zweiten Tag war mir klar: »Das ist es!«

Aber so schnell, wie Sie gewollt hätten, ging es dann doch nicht weiter…
Nein, im Gegenteil. Das Arbeitsamt stellte sich quer. Mein Antrag auf Umschulung für eine

Pflegetätigkeit wurde abgeschmettert. Natürlich gab ich nicht klein bei und hoffte weiter. Das ging durch mehrere Instanzen und dauerte zwei Jahre. Um die Zeit zu überbrücken und nicht von Hartz-IV leben zu müssen, arbeitete ich ein knappes Jahr im Auftrag einer Firma als Reinigungskraft. Wie es der Zufall so wollte, landete ich ausgerechnet im Schwesternheimathaus! Hier kannte ich mich ja schon ganz gut aus.  

Mein Berufsziel »Pflege« verlor ich dabei nie aus den Augen. Eine vierwöchige Ausbildung zur Schwesternhelferin habe ich mir selbst finanziert. Das dazugehörige Praktikum leistete ich wiederum hier im Haus. Irgendwann später, 2013, erhielt ich einen Anruf von Schwester Christine Wawrsich mit der Frage, ob ich nicht aushelfen könne. Ich habe natürlich sofort zugesagt, etwas Besseres konnte mir gar nicht passieren! Währenddessen lag mein Antrag immer noch beim Rententräger. Ich hatte schon gar nicht mehr mit einem positiven Bescheid gerechnet, aber schließlich kam die Bewilligung der Finanzierung doch noch. Allerdings nur für zwei Jahre, deshalb konnte ich dann nur die Pflegehelferin machen. Anderthalbjährige Ausbildung, Praktikum, Prüfung, Bewerbung und dann schließlich die Aufnahme der Tätigkeit als Pflegehelferin gingen nahtlos ineinander über. Seither bin ich hier. Ja, diesem Haus war ich schon immer irgendwie treu...

Was hat Ihnen an diesem Haus besonders gut gefallen?
Ich habe mir im Rahmen der Ausbildung auch ein anderes Haus angesehen und dort ein Praktikum gemacht, aber mich doch für das Schwesternheimathaus entschieden.
Ich hatte keine kirchliche Bindung, aber die christlichen Rituale haben mich angesprochen. Die familiäre Atmosphäre gefällt mir – es ist ja ein eher kleines Haus, mit 93 Bewohnern.
Zum Geburtstag wird jedem Bewohner ein Ständchen gesungen, es bekommt jeder einen Blumenstrauß und natürlich fehlt auch die Kerze nicht. Wenn jemand verstirbt, wird Abschied genommen. Ich arbeite ja auch im Nachtdienst, habe deshalb mit allen drei Wohnbereichen zu tun, daher lernt man dann alle Bewohner kennen.

Was sind für Sie schwierige Momente bei Ihrer Arbeit?
Man kommt schon so manches Mal an seine Grenzen. Wir haben hier ja sehr viele Bewohner mit dem Krankheitsbild »Demenz«. Jeder reagiert anders, das schnelle »Umswitchen« ist nicht immer einfach. Viele von ihnen stellen immer wieder dieselben Fragen, laufen den Pflegern hinterher, einige schreien, sind in ihrer Welt gefangen, aus der man sie nicht herausholen kann, oder reagieren überhaupt nicht. Das geht dann an die Nieren. Hier fühle ich mich absolut machtlos. Und natürlich fehlt oft die Zeit, um auf Einzelne mehr einzugehen.

Wie erleben Sie sich als Ältere inmitten von zum Teil erheblich jüngeren Mitarbeitenden?
Die Auszubildenden – manche sind ja noch gar nicht volljährig  – kommen mir manchmal sehr blauäugig vor. Ich persönlich würde es besser finden, wenn sie ein paar Jahre als Pflegehelfer arbeiten, den kompletten Arbeitsablauf kennenlernen und Erfahrungen sammeln. Danach besteht immer noch die Möglichkeit, als Fachkraft durchzustarten. Als Ältere, die ja schon einiges an Lebenserfahrungen mitbringt, kann ich mich sicher manchmal besser in alte Menschen hineinversetzen als eine Achtzehnjährige. Man kann ganz anders auf die Angehörigen zugehen, hat selbst Familie. Mir gelingt es gut, eine Verbindung aufzubauen, da zu meinen Hobbys auch der Garten und das Lesen gehören. Darüber kann man besonders schnell ins Gespräch kommen und seine Erfahrungen austauschen.

Ich stelle sehr hohe Anforderungen an mich selbst und erwarte leider das Gleiche auch von den anderen. Wenn ich angerufen werde, weil jemand ausgefallen ist, springe ich sehr oft ein. Ich kann nicht »nein« sagen, wenn man mich um etwas bittet, das ist vielleicht nicht so gut, das wird mir bestimmt mal vor die Füße fallen! Aber so bin ich.

Weihnachten steht vor der Tür. Sie erleben ja auch immer wieder den Wechsel der Jahreszeiten hier im Haus. Welche Zeit mögen Sie persönlich am liebsten?
Den Sommer! Ich mag keinen Schnee und Kälte auch nicht. In der Vorweihnachtszeit kommt viel Melancholie auf, das hat Weihnachten so an sich. Trotzdem hat die Adventszeit ihr Schönes, zum Beispiel, dass die Räume und Flure weihnachtlich geschmückt sind. Und wenn die Chöre zum Singen auf die Wohnbereiche kommen, ist das für die Bewohner ein Highlight. Im letzten Jahr haben wir diensthabenden Mitarbeiterinnen des Wohnbereiches ein kleines Programm gestaltet, mit Liedern, Geschichten und Gedichten. Auf dem »Dorfplatz«, dem verbindenden Raum zwischen den beiden Wohngruppen, haben wir uns versammelt. Vorgesehen waren zwei, drei Lieder. So eine richtige Stimme habe ich ja nicht, das hat keinen gestört, die Bewohner haben mitgesungen und verlangten »Zugabe«, »Zugabe«, alle sangen immer weiter, das war richtig schön!

Interview: Beate Schneppen, 2018